Rund 90 ukrainische Drohnen sollen ein Anwesen von Putin angegriffen haben. Doch Beweise gibt es dafür nicht. Warum die Vorwürfe zu einem schlechten Zeitpunkt kommen
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Rund 90 ukrainische Drohnen sollen ein Anwesen von Putin angegriffen haben. Doch Beweise gibt es dafür nicht. Warum die Vorwürfe zu einem schlechten Zeitpunkt kommen
30. Dezember 2025, 16:07 Uhr
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Inmitten von intensiven Verhandlungen beschuldigt der russische Außenminister die Ukraine, eine Residenz von Wladimir Putin attackiert zu haben. Die Ukraine weist die Vorwürfe vehement zurück.Was genau soll passiert sein? Was ist über die Residenz des russischen Präsidenten bekannt? Und wie wahrscheinlich ist ein solcher Angriff? Ein Überblick
Alle Fragen im Überblick:
Was soll passiert sein?
In der Nacht zum Mittwoch soll die Ukraine eine Residenz des russischen Präsidenten in Waldai in der russischen Region Nowgorod mit 91 Drohnen angegriffen haben. So zumindest vermittelt es Außenminister Sergej Lawrow. Er behauptete, dass alle Drohnen von der russischen Luftabwehr zerstört worden seien. Verletzte oder Schäden habe es nicht gegeben. Ob sich Putin zum Zeitpunkt des angeblichen Beschusses in der Residenz aufgehalten haben soll, ließ es offen.
Putins Sprecher Dmitri Peskow blieb auffällig wortkarg, wenn es um die Frage rund um Belege geht. Diese wolle Russland nicht vorlegen, sagte er. Sollten Trümmer gefunden werden, liege dies in der Verantwortung des Militärs. Die Ukraine weist die Vorwürfe zurück.
Der russische Präsident hat in vielen Teilen des flächenmäßig größten Landes der Erde Residenzen. Das Anwesen in Waldai liegt zwischen Moskau und St. Petersburg direkt an einem See und soll mehr als 28 Hektar umfassen. Das russische Investigativmedium Proekthatte 2023 Bilder veröffentlicht. Demnach sollen auf dem Gelände mehrere Gebäude stehen, darunter ein Vergnügungspark für Kinder und sogar ein eigener Bahnhof.
Satellitenaufnahmen, die das unabhängige osteuropäische Nachrichtenportal Nexta sowie Militärblogger veröffentlichten, zeigen die umfassende Bewachung der Residenz, darunter zahlreiche Flugabwehrstellungen rund um den See. Die gesamte Anlage ist also extrem stark geschützt.
Beweise für seine Behauptung legte Lawrow bislang nicht vor und es gibt keine unabhängige Bestätigung, dass der Vorfall überhaupt stattgefunden hat. Im Gegenteil: Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten und widersprüchliche Details. Zu diesem Schluss kommt auch das Institute for the Study of War (ISW). Üblicherweise würden ukrainische Luftangriffe Spuren in öffentlichen Quellen hinterlassen, die in diesem Fall jedoch nicht zu finden seien, hieß es in seinem aktuellen Lagebericht (PDF).
Lawrows Behauptung, dass rund 90 ukrainische Drohnen über der Region Nowgorod abgeschossen wurden, widerspricht den Angaben des russischen Verteidigungsministeriums. Dieses meldete zuvor, dass in der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember lediglich 47 Drohnen abgeschossen worden seien – was Lawrows Aussage zusätzlich infrage stellt, schreibt das ISW.
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Auch das russische Oppositionsmedium Sota veröffentlichte eine Untersuchung zum angeblichen Angriff. Demnach waren in der Nacht laut Augenzeugenberichten keine Luftabwehrsysteme aktiv, obwohl diese hätten eingesetzt werden müssen, um bis zu 91 ukrainische Drohnen abzuschießen. Laut Radio Free Europe/Radio Liberty erhöhte Russland die Zahl der Luftabwehrsysteme rund um Waldai zwischen 2022 und 2025 von zwei auf zwölf.
Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer Lüge und warnte: Die russische Führung versuche mit den Vorwürfen lediglich, einen Vorwand für neue Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kyjiw zu schaffen – insbesondere auf Regierungsgebäude.
Außenminister Andrij Subiha rief andere Staaten dazu auf, den russischen Darstellungen keinen Glauben zu schenken. Russland habe selbst einen Tag nach dem angeblichen Angriff keinerlei Beweise vorgelegt. "Weil es keine gibt."
Inzwischen äußerte sich aber auch US-Präsident Donald Trump zu dem mutmaßlichen Vorfall – und verurteilte ihn. Er sagte, angesichts der laufenden Friedensgespräche sei dies "nicht der richtige Zeitpunkt" für solche Aktionen. Trump berichtete, Putin habe ihn telefonisch über den Angriff informiert, und fügte hinzu, er sei "sehr wütend darüber". Es sei etwas anderes, offensiv zu handeln, weil man angegriffen werde, als das Haus eines Staatschefs anzugreifen, sagte Trump.
Die russischen Vorwürfe kommen zu einem denkbar schlechten Moment: Eigentlich laufen gerade intensive Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump, der Ukraine und Russland. Trump sagte nach einem Treffen mit Selenskyj am vergangenen Sonntag in seinem Anwesen in Florida, eine Einigung sei "wahrscheinlich näher als je zuvor".
Die Ukraine wirft Russland nun vor, mit den Anschuldigungen gezielt die Fortschritte in den Gesprächen sabotieren zu wollen. Gleiches wirft Russland auch der Ukraine vor. Präsidialamtssprecher Peskow kündigte an, dass Russland in den laufenden Gesprächen eine härtere Haltung einnehmen werde. Er verneinte, dass die russische Regierung aus Gesprächen aussteigen wolle. Der Dialog, vor allem mit den USA, werde weitergeführt, betonte er.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters