Chemieindustrie: Chemiekrise spitzt sich zu – Domo-Tochterfirmen insolvent
Aktualisiert am 29. Dezember 2025, 12:29 Uhr Quelle: dpa Berlin/Brandenburg

Betroffen von der Insolvenz sind insgesamt 585 Mitarbeiter in Leuna in Sachsen-Anhalt und Premnitz in Brandenburg. (Archivbild) © Jan Woitas/dpa
Hohe Energiekosten, ein zunehmend schwieriger internationaler Wettbewerb, Materialknappheit - seit Monaten schlägt die Chemieindustrie Alarm. Erst kurz vor Weihnachten fand im sächsischen Böhlen der «Chemiegipfel Ostdeutschland» statt, bei dem Branchenexperten und Politik über Auswege aus der Krise berieten. Wenige Tage später nun die nächste Hiobsbotschaft - drei deutsche Tochtergesellschaften des belgischen Chemieunternehmens Domo Chemicals haben Insolvenz angemeldet.
«Das Tagesgeschäft geht an allen Standorten weiter, Fertigung und Belieferung der Kunden laufen ohne Unterbrechung», sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther. Betroffen sind insgesamt 585 Mitarbeiter in Leuna (Sachsen-Anhalt) und Premnitz (Brandenburg), sie wurden am Vormittag über die Situation informiert. Die Löhne und Gehälter sind für drei Monate über das Insolvenzgeld gesichert. Zunächst hatte die «Mitteldeutsche Zeitung» darüber berichtet.
Flöther will sich jetzt ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation machen und Sanierungsoptionen prüfen. «Wir versuchen, den Betrieb zu stabilisieren», sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Denkbar seien etwa eine Investorenlösung oder eine Einigung mit den Gläubigern. Die deutschen Unternehmen der Domo-Gruppe würden zu den Technologieführern ihrer Branche gehören, so Flöther. Zuletzt waren Gespräche über die weitere Finanzierung kurzfristig gescheitert.
Kunststoffe für Automobilbranche
Die Insolvenzanträge betreffen ausschließlich die drei deutschen Unternehmen der Domo-Gruppe. Die meisten Mitarbeiter sind in Leuna beschäftigt, bei der Domo Chemicals GmbH sind es rund 35, bei der Domo Caproleuna GmbH etwa 480. In Premnitz hat die Domo Engineering Plastics GmbH rund 70 Mitarbeiter. Die drei Unternehmen gehören zu Domo Chemicals, einer Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Gent (Belgien).
Die Gruppe fertigt und vermarktet laut dem Insolvenzverwalter weltweit Polymere, technische Kunststoffe und Hochleistungsfasern für Kunden in der Automobilbranche, für Konsum- und Industriegüter sowie Elektrotechnik und Elektronik. Diese Kunststoffe werden auch im Bauwesen und für Verpackungen verwendet.
Wie wirkt sich das auf andere Unternehmen aus?
Die Insolvenz könnte auch Auswirkungen auf andere Firmen in der Region haben, etwa solche, die Stoffe an Domo liefern. Man müsse jetzt vermeiden, dass bei anderen Unternehmen eine größere Betroffenheit entstehe, sagte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) der dpa. «Daran wird gearbeitet.» Schulze ist grundsätzlich optimistisch, was die Lösungssuche angeht. Die Probleme bei Domo würden nicht bei den Unternehmen in Sachsen-Anhalt, sondern in anderen Bereichen der Gruppe liegen, so der Minister.
Die chemische Industrie steht seit Monaten unter erheblichem Druck. «Die Lage der deutschen chemischen Industrie erfüllt uns alle mit großer Sorge», sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kurz vor Weihnachten im Bundestag. Unter anderem hatte der US-Konzern Dow Chemical vor einigen Monaten bekanntgegeben, dass ein Teil seiner Anlagen in Schkopau (Sachsen-Anhalt) und Böhlen (Sachsen) Ende 2027 geschlossen werden soll.
Der sogenannte Steamcracker in Böhlen ist eine zentrale Anlage, die aus Rohbenzin chemische Grundstoffe herstellt. Diese Anlage steht am Anfang der chemischen Wertschöpfungskette. Es wird befürchtet, dass eine Abschaltung viele angeschlossene Unternehmen im Osten in Gefahr bringen könnte. Merz betonte, dass derzeit Gespräche über eine Nachnutzung des Geländes geführt würden. Laut der Gewerkschaft IG BCE arbeiten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Ostdeutschland rund 63.000 Menschen.
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