"Die blutige Kammer" von Angela Carter: Wild
Mit ihrem Buch "Die blutige Kammer" hat Angela Carter 1979 einen Klassiker des feministischen Horrors erschaffen. Nun ist das Werk endlich wieder auf Deutsch zu lesen.

Wer Angela Carter zum ersten Mal liest, fühlt sich tatsächlich ein bisschen verhext, verwandelt. © Manuel Nieberle/Connected Archives
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Mit Angela Carters "Die blutige Kammer" ist ein Klassiker des feministischen Horrors endlich wieder auf Deutsch zu lesen.
Aus der ZEIT Nr. 51/2025 Aktualisiert am 30. Dezember 2025, 5:38 Uhr
Als die britische Autorin Angela Carter im Februar 1992 mit nur 51 Jahren verstarb, schrieb ihr Bewunderer Salman Rushdie in der New York Times: "Mit Angela Carter verliert die englische Literatur ihre Hohepriesterin, ihre wohlwollende Hexen-Königin, eine burleske Künstlerin von Genie und antiker Anmut."
Wer Angela Carter zum ersten Mal liest, fühlt sich tatsächlich ein bisschen verhext, verwandelt. Und zwar nicht in einen Frosch, sondern in eine freiere, wildere Version des eigenen Selbst. So als öffne Carter mit ihren magischen Worten Kammern, die durch so viel Angst und Scham verriegelt sind, dass sie es ohne ihre Hilfe wohl auch bleiben würden. Dies gilt vor allem für ihr berühmtestes Werk: Die blutige Kammer. 1979 erschienen, ein Jahr nach dem unter Feministinnen umstrittenen, ebenfalls lesenswerten Essay The Sadeian Woman, ist es ein Klassiker des feministischen Horror-Genres. Man sagt oft, was Carter da mache, sei eine feministische Neuinterpretation klassischer Märchen. Und auch wenn das stimmt – sie schreibt über Frauen, die sich nicht fürchten oder wenn überhaupt, dann vor sich selbst –, das klingt in dem Fall so, als wolle man etwas Unbekanntes in eine bekannte Verpackung schieben, als wolle man die Wildheit, die aus diesem Text herausbrüllt, zähmen. Die Magie von Carter rührt aus dem genauen Gegenteil: Sie reißt alle Fassaden des Anstands und des Erwartbaren ab und lässt den Sturm verwirrender Impulse und nur schwer zuzugebender Gelüste mit voller Wucht in uns hineinwehen. Das überrascht, irritiert, tut gut.