Judi Dench: "Diese Zeilen sind in meine Mitte hineingebohrt"
Die Schauspielerin Judi Dench hat ein Buch über Shakespeare geschrieben. Hier erklärt sie, warum der sie nie loslassen wird – und weshalb sie die Bühne dem Film vorzieht.

Judi Dench, geboren 1934 in York, lebt in Surrey südlich von London, wo sie die ZEIT empfing. © Charlie Clift für DIE ZEIT
Die Schauspielerin Judi Dench, 90, wurde mit den James-Bond-Filmen weltberühmt. Bei einem Besuch in ihrem Haus in Surrey erklärt sie, warum sie die Bühne dem Film immer vorzog und Shakespeare sie nie loslassen wird.
Aus der ZEIT Nr. 51/2025 Aktualisiert am 28. Dezember 2025, 17:39 Uhr
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DIE ZEIT: Frau Dench, Shakespeare begleitet Sie schon Ihr Leben lang. Wie sind Sie ihm das erste Mal begegnet?
Judi Dench: Ich muss etwa acht oder neun Jahre alt gewesen sein, als mein älterer Bruder Peter in einer Schulaufführung von Macbeth mitspielte und in der Rolle des Königs Duncan sagte: "What bloody man is that?" (Dt.: Welch blut’ger Mann ist dies?) Ich dachte da, bei Shakespeare wird geflucht, das ist ja absolut wundervoll!
ZEIT: Warum hat ausgerechnet dies bei Ihnen so viel ausgelöst?
Dench: Vom Inhalt des Stückes verstand ich damals wenig, aber ich glaube, ich spürte, dass die Sprache von Shakespeare, ihr Rhythmus, wie ein Herzschlag ist. Später als Schauspielerin konnte es vorkommen, dass ich den Text vergaß und ins Stocken geriet. Da sagte ich einfach bloß die Silben auf. Bei Shakespeare kam ich manchmal damit durch.
ZEIT: Erinnern Sie sich an einen Auftritt, wo Ihnen das gelang?
Judi Dench: Nein, aber ich erinnere mich an einen anderen Abend. Ich war bereits bei der Royal Shakespeare Company in Stratford angestellt und gerade frisch mit meinem Ehemann Michael Williams verheiratet. In der Rolle von Portia in Der Kaufmann von Venedig sollte ich sagen: I speak too long, but ’tis to peize the time / To eche it, and to draw it out in length / To stay you from election. (Dt.: Zu lange red ich, doch nur um die Zeit / Zu dehnen, in die Länge sie zu zieh’n / Die Wahl noch zu verzögern.) Stattdessen sagte ich aber: To stay you from erection. (Dt.: Euch abzuhalten von der Erektion.) Die Musiker im Orchestergraben mussten vor Lachen ihre Instrumente niederlegen und sich hinter der Bühne beruhigen.