Krisenchat: "Wenn Familien an den Feiertagen aufeinandersitzen, kracht es oft"
Für viele junge Menschen bedeuten die Feiertage rund um Weihnachten Stress. Krisenchat stockt aufgrund der steigenden Nachfrage seine Kapazitäten auf.
Für viele Kinder und Jugendliche ist die Weihnachtszeit weniger besinnlich als belastend: Familiäre Konflikte nehmen zu, Erwartungen steigen. Digitale Angebote wie Krisenchat.de bieten rund um die Uhr anonym und kostenlos Unterstützung – die Anfragen wegen familiärer Konflikte steigen dort an den Feiertagen nach eigenen Angaben um rund 150 Prozent.
Juliane Pougin ist Juristin und Psychologin. Bei Krisenchat betreut sie unter anderem die Risikoteams im Bereich Kindeswohl, Gewalt und Suizidalität.
(Bild: Pougin)
heise online hat mit Juliane Pougin, Mitglied der psychologischen Leitung von Krisenchat.de, über diese Belastungen und die Rolle digitaler Hilfe gesprochen. Das Angebot wird unter anderem vom Familienministerium gefördert.
Gegründet während der Coronakrise hat sich Ihr Beratungsangebot zu einer Stütze für unzählige Kinder und Jugendliche entwickelt, was auch mit dem Deutschen Kinderschutzpreis gewürdigt wurde. Welche Reise hat Ihr Projekt seit den Anfängen gemacht?
Juliane Pougin: Wir wurden während der Coronapandemie aus der Initiative von jungen Menschen gegründet, die selbst betroffen waren und in der Krise niemanden mehr erreichten. Wenn wir jetzt fünf Jahre zurückblicken, sehen wir einen Bedarf, den wir uns damals nicht hätten vorstellen können. Kinder und Jugendliche melden sich bei uns in Krisen und sind dankbar, dass immer jemand für sie da ist. Dieser Bedarf ebbt nicht ab. Wir haben monatlich etwa 3800 Beratungen und seit unserer Gründung knapp 200.000 Beratungen durchgeführt. Das zeigt, was für ein enormer Bedarf besteht, den wir oft kaum decken können.
Viele digitale Angebote, wie die Videosprechstunde, haben inzwischen wieder einen Rückgang verzeichnet. Ihr Angebot scheint aber konstant hohen Zuspruch zu haben. Haben Sie da eine Lücke gefüllt?
Ja, für Kinder und Jugendliche sind wir angenehm niederschwellig und passen genau zu ihren Gewohnheiten. Die junge Generation bestellt selbst Pizza per App, um nicht telefonieren zu müssen. Eine chatbasierte Beratung ist also genau das, was sie wollen. Wer sich einmal bei uns meldet, kommt oft wieder – nicht mit demselben Problem, sondern weil er die positive Erfahrung gemacht hat, dass wir helfen. Es ist ein bisschen wie ein Kiosk: Man kommt rein, schildert sein Problem, und wir zeigen, wo im Regal die passende Hilfe zu finden ist. Wir schauen immer, wer vor Ort am besten helfen kann, und beraten entsprechend. Das schätzen die Jugendlichen sehr.
Sie sprechen von der Gen Z. Wie sieht die genaue Altersverteilung aus? Gibt es auch deutlich jüngere oder ältere Nutzer als erwartet?
