München: Wie die Eisbachwelle (wieder) zum Politikum wurde
Aktualisiert am 29. Dezember 2025, 9:38 Uhr Quelle: dpa Bayern

Ein kleines (kurzes) Weihnachtswunder: Die Welle war wieder da. © Peter Kneffel/dpa
Wo ist sie nur hin? Und wann kommt sie zurück? Seit Monaten diskutiert München über die verschwundene Eisbachwelle im Englischen Garten - und darüber, wie sie wiederherzustellen sei.
Lange schien es, als zögen Stadt und Surfer an einem Strang im Kampf um das Münchner Wahrzeichen. Doch ausgerechnet seit Weihnachten ist das nun wohl endgültig vorbei. Gut zwei Monate vor den Kommunalwahlen hat München damit wohl ein Wahlkampfthema dazu bekommen.
Was ist eigentlich mit der Welle los?
Das weiß leider niemand so genau. Nach der jährlichen Bachauskehr, bei der nach Angaben des Baureferats unter anderem das Bachbett von Unrat und Sedimenten befreit worden ist, hätte der Surfbetrieb Ende Oktober wieder starten sollen. Jedoch blieb die Welle aus. Die Stadt versicherte, dass keine baulichen Veränderungen an der Eisbachwelle oder ihrer Seitenbereiche vorgenommen worden seien.
Wie sollte sie wiederhergestellt werden?
Eigentlich wollten der Surfclub München, die Interessengemeinschaft Surfen in München und einige Privatleute in einem mit der Stadt abgestimmten, wissenschaftlich begleiteten Versuch eine Rampe aufbauen und Kies aufschütten, damit die Welle sich wieder aufbauen kann. Ein Vorversuch Ende November hatte die Surfer positiv gestimmt.
Strömungsexperten der Hochschule München hatten damals mit Holzbrettern, sogenannten Kickern, die Welle zurückbringen können, wie die Hochschule mitteilte. «Mit allen Kickern konnte eine circa drei Meter lange grüne Welle erzeugt werden», sagte Professor Robert Meier-Staude, der den Vorversuch leitete.
Um eine surfbare Welle auf der ganzen Breite des Eisbaches zu erzeugen, sei der Einbau einer dreiteiligen Rampe nötig. Dann könne sich stromabwärts eine langsam rotierende Walze bilden, in der sich Kies ablagern kann. Das könne einige Monate dauern.
Und wo ist jetzt das Problem?
Die Vereine und Surfer, die den Antrag auf den Einbau einer solchen Rampe gestellt haben, sehen sich selbst an bürokratischen Hürden gescheitert. Nach eigenen Angaben der Surfer sollten sie nicht nur alle Kosten und jegliche Haftung übernehmen und in Dauerbereitschaft sein, sondern auch noch «technische Nachweise auf dem Niveau von Brücken- oder Staubauwerkerrichtungen» liefern.
In emotional aufgeladenen Statements voller Frust kündigten die Surfer darum an, den Versuch zur Wiederherstellung der Welle abzubrechen.
Zu Weihnachten wurde wieder auf dem Eisbach gesurft - woher kam die Welle?
Die entstand durch eine illegal eingebaute Rampe, die derjenigen ähnelt, die laut den Plänen auch für den offiziell mit der Stadt abgestimmten Versuch eingebaut werden sollte. Wer sie eingebaut hat, war unklar. Wenige Tage später rückte die Feuerwehr mit schwerem Gerät an und entfernte die Rampe - zur Empörung der Surfer-Community, die darin eine Machtdemonstration sah und eine «Kampfansage».
Die Welle steht nach dem Tod einer Surferin im Frühjahr unter besonderer Beobachtung. Die Leine, an der das Surfbrett der jungen Frau befestigt war, hatte sich im Bach verhakt und sie unter Wasser gezogen. Sie starb einige Tage später im Krankenhaus. Danach war das Surfen auf dem Eisbach zeitweise verboten, damit die Unfallursache geklärt werden konnte - eine konkrete Ursache konnte aber nicht festgestellt werden.
Die städtische Wasserrechtsbehörde betonte, mit dem Abbau der Rampe «die für die Eisbachwelle geltende Allgemeinverfügung» zu vollziehen. «Nach dieser Allgemeinverfügung sind die vorgenommenen, wellenbildenden Einbauten illegal gewesen und potenziell gefährlich, wenn nicht lebensgefährlich», heiß es in einer Mitteilung des städtischen Umweltreferates, die sich auch auf den tödlichen Unfall im Frühjahr bezog. «Bei Gefahr in Verzug muss die Vollzugsbehörde tätig werden und hat daher die Entfernung der Einbauten veranlasst.»
Was kritisieren die Surfer?
Sie sehen in den hohen bürokratischen Hürden Absicht. «Die Verwaltung will das Surfen am Eisbach nicht regulieren, sondern verhindern», hieß es in einer Mitteilung des Vereins Surf Club München. Darin wird eine behördliche Auflagenpraxis kritisiert, «die faktisch auf Verhinderung angelegt ist».
Die Interessengemeinschaft Surfen München (IGSM) schrieb auf Instagram: «Nachdem wir anfangs noch die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung betont haben, hat sich das Blatt mittlerweile gewendet.»
Die Surfer sehen in den aus ihrer Sicht nicht erfüllbaren Auflagen für den offiziellen Rettungsversuch der Welle Ausdruck eines politischen Willens: «Die Verwaltung entscheidet hier nicht über ein konkretes Projekt, sondern über die Frage, wie viel Stadtleben noch gewollt ist», schreiben sie. «Formal wird eine Genehmigung nicht ausgeschlossen. Faktisch wird sie unmöglich gemacht.» Das sei «politisch bequem, aber demokratisch problematisch».
Und jetzt?
Wie es weitergeht, war zunächst völlig unklar. Die Dritte Münchner Bürgermeistern Verena Dietl (SPD) teilte mit, sie werde «die zuständigen Referate anweisen, nun aktiv an einer solchen Lösung zu arbeiten».
Dazu gehöre, «zeitnah einen Austausch mit den Surferinnen und Surfern zu organisieren, das bisherige Vorgehen einzuordnen und zu erklären sowie transparent zu erläutern, welche Maßnahmen seitens der Stadt aus Gründen der Sicherheit und des Wellenbetriebes erforderlich sind», sagte sie. Dieser Austausch solle unmittelbar beziehungsweise schnellstmöglich stattfinden.
Die Surfer sehen auch die politisch Verantwortlichen im Münchner Stadtrat in der Pflicht, sich für das Wahrzeichen Eisbachwelle, das auch früher schon einmal ein Politikum war, einzusetzen. Am 8. März, bei den Kommunalwahlen, werden Stadtrat und Oberbürgermeister neu gewählt. In einer Mitteilung der Surfer hieß es: «Die Debatte ist damit nicht beendet. Sie wird jetzt politisch.»
Die IGSM zeigt sich aber auch offen für eine pragmatische Lösung. «Die IGSM ist an keiner weiteren Eskalation der Situation interessiert», teilte diese mit. Ziel sollte sein, die Welle vor der jährlichen Bachauskehr wiederherzustellen. Deshalb wolle die Interessengemeinschaft einen ähnlichen Einbau nun offiziell genehmigen lassen. Man sei auch für alternative Vorschläge offen und setze auf zeitnahe Gespräche mit den Verantwortlichen.
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