Wettlauf um Quantencomputer: Europa droht den Anschluss zu verlieren
Quantentechnologien versprechen eine Revolution von Medizin bis Kryptografie. Die Patentzahlen steigen, doch Europa hinkt bei der Kommerzialisierung hinterher.
Sie klingen noch nach Science-Fiction, sind aber längst im Visier der globalen Wirtschaftsmächte und IT-Giganten: Quantencomputer, die komplexe Moleküle für neue Medikamente in Sekunden simulieren, Sensoren, die Erdbeben Wochen im Voraus spüren, und eine Kommunikation, die nach den Gesetzen der Physik unknackbar ist. Doch wer beherrscht diese Zukunft? Das Europäische Patentamt (EPA) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben vor wenigen Tagen in Paris eine umfassende Bestandsaufnahme vorgelegt, die Licht und Schatten für den europäischen Innovationsstandort offenbart.
Die gute Nachricht: Die Forschungsaktivität ist so hoch wie nie. Die schlechte: Der Weg vom Labor in den Markt wird für europäische Akteure immer steiniger. Während die Wissenschaft glänzt, droht die wirtschaftliche Verwertung mal wieder auf halber Strecke steckenzubleiben.
Seit 2015 haben sich laut den veröffentlichten Zahlen die Patentaktivitäten im Bereich der Quantentechnologien verfünffacht. Besonders das Quanten-Computing sticht hervor – hier gibt es heute 16-mal mehr patentierte Erfindungen als noch vor neun Jahren. Damit wächst dieser Sektor deutlich schneller als viele andere Technologiefelder.
Die OECD bestätigt den Trend: „Die Zahl der internationalen Patentfamilien im Bereich Quantentechnologie hat sich zwischen 2005 und 2024 versiebenfacht.“ Seit 2014 wachse der Bereich mit einer jährlichen Rate von rund 20 Prozent und übertreffe damit das allgemeine Wachstum über alle Technologien hinweg, das bei lediglich 2 Prozent liege.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien bilden dabei die europäische Speerspitze. Doch EPA-Präsident António Campinos warnt vor verfrühter Euphorie. Die EU müsse ihre Investitionen massiv steigern, um nicht dauerhaft im Schatten der USA zu landen. Während US-Giganten wie IBM, Google und Microsoft das Feld bei den Patentanmeldungen dominierten, kämpfe die europäische Startup-Szene mit einer gefährlichen Stagnation bei der Finanzierung.
Die „akademische Falle“
Ein Merkmal des Sektors ist seine Nähe zur Grundlagenforschung. Ein ungewöhnlich hoher Anteil der Patentanmeldungen – fast ein Drittel – zitiert aus wissenschaftlichen Publikationen. Das zeigt, wie tief die Technologie noch in der akademischen Welt verwurzelt ist. Laut OECD haben über 50 Prozent der Gründer im Quantenbereich einen Doktortitel, verglichen mit nur etwa 10 Prozent in anderen Branchen.
Genau hier liegt laut OECD das Problem: Die Kommerzialisierung brauche privates Wagniskapital. Das fließe in den USA deutlich stärker als in Europa. Nach einem Höchststand im Jahr 2021 ist der Geldfluss hier zuletzt ins Stocken geraten. Die OECD spricht von einer Phase der Konsolidierung.
Neue Plattformen gegen die Unsichtbarkeit
Um gegenzusteuern, setzt das EPA auf Transparenz und Vernetzung. Eine soll Investoren und Forschern helfen, sich im Dschungel der über 31.000 Quanten-Erfindungen zurechtzufinden. Zudem hat die Behörde : Ein Filter ermöglicht nun gezielt, europäische Start-ups mit Quantenpatenten aufzuspüren. Damit soll die Sichtbarkeit europäischer Exzellenz erhöht und die Brücke zum Kapitalmarkt geschlagen werden.